Aus dem Leben einer Schulleiterin:
Manchmal sind Tage so ganz anders als geplant...
Freitag stand an, das jährlich stattfindende Gespräch mit der Schulaufsicht zu Schulentwicklungsprozessen und entsprechenden Zielvereinbarungen für Montag vorzubereiten. Wir hatten im Leitungsteam ausführlich darüber gesprochen, zur Freude meines Ehemanns hatte ich Donnerstagabend damit verbracht, unsere Vorschläge bestmöglich zu hierarchisieren, Gelingengsbedingungen zu durchdenken. Damit wurde ich so gegen 23:00 fertig – und beschloss daher, am nächsten Tag erst um 8:30 meinen Schultag zu beginnen. Für meinen stellvertretenden Schulleiter war das kein Problem – er ist ohnehin immer kurz nach der Sekretärin ab 6:30 da. Die Schule war also versorgt und ich hatte genug Pause, um mit klarem Kopf die vielen Dinge sortieren zu können, die da auf mich einprasseln werden.
Das war am Freitag auch ganz besonders wichtig. Ich kam im Sekretariat an und wurde mit der Androhung eines Amoklaufes am Vorabend durch eine Person konfrontiert, von der ich wusste, dass sie gar nicht in der Schule ist, weil ich am Donnerstag mit Unterstützung großartiger Schüler und Schülerinnen, einer Mutter und der wie immer sehr schnellen und konstruktiven Unterstützung der Polizei genau dafür gesorgt hatte.
Ich rief also sofort bei der Polizei an und mir wurde bescheinigt, dass keine Gefahrenlage bestehe und zu keinem Zeitpunkt bestanden habe, dass die entsprechende Person unter Beobachtung sei und Polizisten der Trittauer Wache Ihre Kinder heute sorglos an der Hahnheide-Schule lassen würden.
Dies kommunizierte ich mit den Nachbarschulen, weil dort ohne Rücksprache mit mir bereits andere Wahrheiten im Umlauf waren.
Inzwischen bat mein Sicherheitsbeauftragter um Unterstützung im Forum, weil die Kommunikation mit einem Elternteil zu eskalieren drohte. Ich ging also ins Forum und stellte zu meiner Freude fest, dass die deeskalierende Professionalität meines Kollegen bereits Früchte getragen und sich die entsprechende Person etwas beruhigt hatte. Um weitere Eskalationen mit Eltern zu vermeiden, blieb ich noch etwas im Eingangsbereich, war also die erste, mit der Eltern sprechen konnten, die ihre Kinder aufgrund der unverhältnismäßigen Reaktion der benachbarten Schule abholen wollten.
Das waren nicht viele, einige wenige. Ich hoffe, ich kam mit allen ins Gespräch. Natürlich hatte ich Verständnis für alle Ängste und Sorgen vor dem Hintergrund der Falschmeldungen, die inzwischen auf so vielen Handys einsehbar waren. Und natürlich konnten diejenigen ihre Kinder sofort abholen, die das wollten.
„Was für tolle Eltern“, dachte ich noch. Die Gespräche waren durchweg ruhig, von Verständnis für beide Seiten geprägt. Die Reaktion der Schule und entsprechende Maßnahmen waren für Eltern nachvollziehbar, dafür war ich sehr dankbar.
Hinter mir arbeitete eine Gruppe von Schülern und Schülerinnen der Oberstufe. Sie hörten meine immer wieder gleichen Worte der Beruhigung und boten mir an zu helfen.
Deshalb liebe ich die Hahnheide-Schule so sehr. Was für ein konstruktives Miteinander zwischen Schülern und Schülerinnen, Lehrkräften, Eltern und mir. Deshalb habe ich im neuen Schulbrief (ist noch nicht veröffentlicht) auch ein Angebot für einen „Kaminabend“ für Eltern, an dem es um Reaktionen der Hahnheide-Schule auf die Pisa – Ergebnisse gehen soll.
Inzwischen bin ich mir damit nicht mehr so sicher. Vielleicht müsste es treffender um Vertrauen in Schulleitung gehen. Auch – oder besonders – in Extremsituationen.
Vielleicht würde dann ein Schultag, der ohne Gefahrenlage beginnt auch ohne Gefahrenlage enden. Und dazwischen wäre nichts als Unterricht.
Vielleicht. Die Zeiten haben sich geändert und der Umgang mit Smartphones hat immer öfter einen schädigenden, eskalierenden Anteil daran. Und leider reagieren Menschen viel schneller auf Meldungen im Netz als auf eine Rückmeldung der Schulleitung.
Inzwischen informierte ich die Klassenstufe der entsprechenden Person in jeder Klasse zur Lage, bat um direkte Information an die Eltern, machte eine Durchsage an alle, schickte eine Mail an den SEB – Vorstand mit der Bitte um sofortige Weiterleitung. Ich weiß von meinem SEB – Vorstand, dass er alles möglich macht, aber manchmal geht eben auch nicht SOFORT. Wie menschlich.
Nach meiner Durchsage entstand die nächste Welle an Gesprächsbedarf – nämlich bei all denen, die von diesen Vorgängen noch gar nichts gehört hatten. Das betraf besonders die jüngeren Jahrgänge. Ich entschied deshalb keine Information auf die Webseite zu stellen, um niemanden zu verunsichern, der oder die gar nicht verunsichert war. Das hätte ich anders entscheiden können, beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung.
Meine wunderbare Sekretärin versuchte schon gar nicht mehr, mich noch über den Stapel von Anfragen für Rückrufe zu informieren, ich wusste, sie hält mir den Rücken frei für das Wichtigste.
Dazu gehörte ein Anruf bei der Schulaufsicht, um den Text für den Pressesprecher und die von mir auf den Weg gebrachten Maßnahmen zu besprechen. Im Zentrum standen dabei Ängste und Sorgen von Schüler, Schülerinnen und Eltern, ein Abgleich der Schritte, die bereits vor diesem Vorfall in die Wege geleitet worden waren und meiner unmittelbaren Reaktion, die ich Freitag dazu im Rahmen des Schulgesetzes auf den Weg gebracht hatte. Auch hier: Rückendeckung und ganz viel Wertschätzung für das Vorgehen an der Hahnheide-Schule in diesem Fall.
Dann: Information an den Schulverband. Aber darum musste ich mich gar nicht kümmern, Herr Zimmermann stand schon im Sekretariat und seine einzige Frage war: „Wie können wir helfen, Frau Hemming?“
Solche Reaktionen tun in solchen Situation sooo gut und zeigen, wie eng und schnell die Netzwerke in Trittau positiv funktionieren können.
Dann: Erneuter Anruf bei der Polizei, einige Informationen waren dazugekommen, aber natürlich hatten schon Eltern … ach, was schreibe ich noch …
und natürlich war es auch diesmal wieder interessant zu hören was angeblich gerade an der Hahnheide-Schule passiert. Nämlich Gänge, auf denen Schüler und Schülerinnen arbeiten, Lehrkräfte, die mit ihnen im und außerhalb des Klassenraumes ins Gespräch darüber gehen, welche Schritte auf dem Weg zu noch mehr Leistung gegangen werden können. Eine Grundstimmung des gegenseitigen Vertrauens. Innerhalb des Schulgebäudes ist das so – und deshalb liebe ich diese Schule so sehr.
Mein Team informierte in der Zwischenzeit in unterschiedlichen Lerngruppen, der Sicherheitsbeauftrage stand weiter im Forum als Ansprechpartner zur Verfügung – und ich nutze die Pause, um kurz mit meinem Kollegium ins Gespräch zu gehen. Viele davon sind Eltern – und viele waren sprachlos.
Wie es aber an der Hahnheide-Schule so ist, ging es zielorientiert sofort darum, wer wo Schülern und Schülerinnen helfen kann. So ist es in diesem Kollegium. Und deshalb liebe ich … ach, was schreibe ich noch …
Mir gab das zum ersten Mal an diesem Tag (es war ungefähr 11:00) Gelegenheit, in meine Mails zu gucken. Nur um schnell abzuscannen, ob ganz wichtige Anfrage zum Tag dabei sind.
Ja, eine. Von der Elternvertreterin des entsprechenden Jahrgangs. Wohltuend konstruktiv, nachvollziehbar in der Sache, natürlich stehen für beide Seiten Ängste und Sorgen der Schüler und Schülerinnen und Eltern im Vordergrund aller Maßnahmen. Und natürlich wurden und werden diese Maßnahmen auch ergriffen.
Weiter ging es mit einem Anruf des Hamburger Abendblattes. Auch dort hatten sich schon Eltern mit der Nachricht eines Amoklaufes an der Hahnheide-Schule gemeldet. Zur großen Überraschung des Redakteurs konnte ich das nicht bestätigen, fragte mich aber dann, ob ich vorbeugend schon einmal beim Spiegel, der Zeit, der Züricher Zeitung, Washington Post oder vielleicht direkt google anrufen sollte. An der Hahnheide-Schule fand weiter Unterricht statt, nur die Oberstufenschüler- und schülerinnen hatten inzwischen ihre Arbeit im Forum unterbrochen, führten weiter Gespräche (besonders mit jüngeren Schülern und Schülerinnen) oder waren zu Klausuren in ihren Klassenräumen verschwunden.
Ein Tag ging zu Ende, an dem ich einiges Nachdenkliche, aber auch ganz viel Positives erlebt hatte.
Ich habe mich im Verlauf dieses Artikels entschlossen, am Angebot des Kaminabends für die Hahnheide-Schule festzuhalten, um über Impulse der Schulentwicklung ins Gespräch zu kommen. Der Blick von Eltern auf Ideen unserer Schule dazu ist mir sehr wichtig und kann sehr gewinnbringend für das gesamte System sein.
In diesem Sinne freue ich mich auf einen baldigen, konstruktiven Austausch mit Interessierten aus der Elternschaft der Hahnheide-Schule (Schulbrief kommt), um unsere Schule gemeinsam noch ein bisschen besser zu machen.
… mein Mann fragt nach einem Zeitfenster an diesem Adventswochenende … ich weiß es noch nicht, von Freitag sind noch einige Mails zu beantworten … und eigentlich wollte ich noch Weihnachtskarten für mein Leitungsteam schreiben … und vielleicht melden sich noch Eltern …aber dann vielleicht doch noch: Weihnachtsmarkt.
Gerade meldete sich Frau Frädrich vom Schulverband – sie fragte mich: „Können wir helfen?“ Was für ein wunderbarer Rückhalt aus dem Schulverband, Trittau ist schon ein toller Ort.
Und weiter: „Wie geht es Ihnen, Frau Hemming?“
Ich wünsche allen Lesern und Leserinnen einen wunderschönen dritten Advent.
Mit lieben Grüßen,

Schulleiterin der Hahnheide-Schule